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© Peter Herlitze

Was gibt’s da noch zu optimieren?

Wer mich kennt, weiß, dass ich allen modernen Dingen gegenüber erst einmal offen
bin. Besonders neuen wissenschaftlich-psychologischen Erkenntnissen – denn häufig
kann ich dieses Wissen auf den Umgang mit meiner Nachbarschaft anwenden. Beim
Thema Selbstoptimierung, welches sich schon ewig durch die Gesellschaft schleppt,
war ich dagegen von Anfang an sehr skeptisch. Wahrscheinlich, weil ich mir hier die
Frage stellte, was ich an mir denn noch optimieren sollte. Wenn ich mir da ansehe, was
alleine meine Nachbarn für schwere Geschütze auffahren! Die junge Frau Kenntemich
aus unserem Haus hatte schon immer eine Bikinifigur, aber jedes Jahr nach Ende des
Winters hetzte sie wochenlang nach der Arbeit für viele Stunden ins Fitness-Studio, um
Fett wegzubekommen, das sie gar nicht hat. Ihr Mann, der Uli, ist ein durchtrainiertes
Muskelpaket und keinen Deut besser. Nie hatten die beiden für etwas Zeit – nur zur
Optimierung ihres Körpers. Im Sommer war für beide mindestens ein Triathlon Pflicht
und im Herbst Bergsteigen, das Matterhorn diente dabei höchstens zum Aufwärmen.
Und trotzdem zeigten ihre digitale Geräte ständigen körperlichen Verbesserungsbedarf
an. Nachdem sich Uli vor einem Jahr einen komplizierten Beinbruch zugezogen hatte
und ein halbes Jahr pausieren musste, fiel ihm wohl zum ersten Mal in seinem Leben
ein Buch in die Hand. Innerhalb der nächsten Monate sollten noch viele folgen – und
seitdem lassen es die Kenntemichs viel langsamer angehen, kommen gern mal auf ein
Käffchen mit Schwätzchen vorbei und lassen fünfe auch mal gerade sein. Oder der
Bodo Schaffer, ein Physikstudent von nebenan wollte sein zehnsemestriges Studium
nach drei Jahren abschließen und dann seinen Doktor machen. Wenn man sich auf der
anderen Seite dann die Sorte Kommilitonen ansieht, die nach 28 Semestern Studium
light immer noch keinen Abschluss vorzuweisen haben, nötigt einem diese
Herangehensweise erst einmal Hochachtung ab. Aber alles ist eben nur gut, solange
man nicht übertreibt. Bodos Tagesplan war nach Viertelstunden durchgetaktet und ging
von früh um 6 bis Mitternacht. Mitten im vierten Semester wurde die Uhr jedoch
zurückgedreht, Bodo brach zusammen, musste ein ganzes Jahr pausieren und ist
inzwischen froh, wenn er sein Studium in sechs Jahren durchziehen kann. Denn ohne
regelmäßige Pausen, in denen er sich seinen neuen Hobbys widmet, vergeht
inzwischen kein Tag mehr. Ein weiteres trauriges Beispiel ist unsere Frau Nolte, die
mehr als ehrgeizig ist und in ihrem Job ganz nach oben kommen will. Ihr Arbeitstag ist
aufgegliedert nach Aufputschmitteln, die sie je nach Arbeitsanforderung in stets
steigenden Mengen benötigt. Die Leistung- und Konzentrationsfähigkeit verbessern,
Müdigkeit und Erschöpfung vorbeugen, etwas zur Stimmungsaufhellung tun. Wann
bleibt da noch Zeit für die Arbeit, habe ich mich schon öfter gefragt. Und vor allem: Was
soll an so einem Arbeits- und Lebensstil glücklich machen? Ich war stets zufrieden,
wenn ich im Rahmen meines eigenen Potentials und Könnens mit mir in Einklang leben
konnte, um das einmal wissenschaftlich auszudrücken. „Selbst denken statt selbst
optimieren“ war immer mein Leitsatz. Daher wusste ich schon immer zu schätzen, was
der Däne als hüggelig bezeichnet: öfters mal eine Kerze anzünden, das Handy
ausschalten, heißen Kakao – am besten mit Rum – trinken, mich zurücklehnen und dem
schnellen Leben für ein Weilchen entsagen. Denn wie gesagt, war mir schon eines
immer klar: Was gibt`s bei mir denn noch zu optimieren?