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© Peter Herlitze

Psssst … ich bin Misophoniker!

Juli 2019

Obwohl ich die Oper und das Sinfoniekonzert liebe, kommt mir hier immer wieder der Wilhelm Busch in die Quere: „Musik wird oft nicht schön gefunden, weil sie stets mit Geräuschen verbunden“. Damit meine ich nicht nur das Quietschen des Geigenbogens, die schrillen Töne der Blechbläser, das Fiepsen der Oboe oder die schrägen Töne der Sänger. Noch mehr stören mich das laute Atmen in meiner unmittelbaren Nachbarschaft, das laute Kratzen hinter mir am Hals, das leise Mitbrummen von der Melodie ergriffener Damen oder das elefantöse Taschentuchschnauben, was ja leider in keinem Konzertsaal der Welt ausbleibt. Auf all diese Geräusche reagiere ich verstimmt und verschnupft. Angefangen hat es bereits in meinen Kindertagen. Mein Bruder hat immer zu laut seine Suppe und sämtliche Getränke geschlürft, meine Schwestern ständig geschmatzt und meine Mutter die Essensreste mit einem Aluminiumlöffel aus dem Kochtopf und der Bratpfanne gekratzt. Durch das Internatsleben beim Studium kam ich nur mit Ohropax. Aber das war auch nicht die Lösung – schließlich wollte ich schon damals immer wissen, was alles um mich herum passiert. Als ich wegen dieses ewigen Krachs in meinen Ohren bei einem Lärmcoach war und nun wusste, dass es sich nicht nur um eine gewöhnliche Geräuschintoleranz, sondern um eine ausgewachsene Misophonie handelt, ging es mir schlagartig viel besser. Allein schon der Anklang des Begriffes nach Sinfonie ist wie Musik in meinen Ohren. Mein Coach, ein Mensch der robusteren Sorte, gab mir auch gleich den richtigen Rat mit auf den Weg: Hermine, sagte er, sei einfach immer selbst die Lauteste in Deiner Umgebung, dann kann Dir auch kaum ein anderes Geräusch auf den Keks gehen! Meine Nachbarn müssen den wahren Hintergrund ja nicht kennen, wenn ich, kaum dass ich sie sehe, schon über den Flur schreie und jedes Gespräch immer gleich lautstark an mich reiße. Vielleicht sollten sie mir im Stillen sogar dankbar sein, denn all das bewahrt mich vor Mordlust und anderen Aggressionen. So habe ich inzwischen meine Misophonie halbwegs im Griff. Zuhause habe ich Kopfhörer auf, nachts die Ohren fest verschlossen. Alle akustischen Signale sind bei mir auf optische Impulse umgestellt – und vor meiner Tür bin ich so laut, wie man mich kennt – und hoffentlich auch liebt. Inzwischen kann ich sogar alleine in ein italienisches Restaurant gehen, das bevorzugt von Italienern frequentiert wird. Mein lautes Vormichhinsingen bringt mir dort sogar Pluspunkte ein. Sieh mal, heißt es dann, die Deutschen können ja richtig temperamentvoll sein. So habe ich mit meiner Intoleranz Frieden geschlossen und bin mit mir im Reinen. Letztens las ich in einer Studie sogar, dass Menschen, die Geräusche hassen, besonders kreativ sind. Ich habe mir daraufhin umgehend Papier, Malzeug und eine Klavier-App gekauft. Wie es aussieht, wird die Welt demnächst von mir noch vieles zu sehen, zu lesen und zu hören bekommen.