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© Peter Herlitze

Ich weiß nicht, was soll es bedeuten

September 2019

An Worten hat es mir noch nie gefehlt – bisher. Mit meiner großen Klappe bin ich schon öfters angeeckt und hatte Ärger – aber niemals war ich im Wortschwall um ein Synonym, um einen blumigen Vergleich verlegen. Aber irgendetwas muss sich geändert haben, denn immer öfter werde ich im Alltag gemaßregelt oder korrigiert. Zu unrecht, davon bin ich fest überzeugt. Neulich sah ich drei halbwüchsige Jungen, die ein etwa gleichaltriges Mädchen belästigten. „Ihr Lümmel, lasst sie in Frieden“, rief ich ihnen zu. „Bei Euch hat wohl die Erziehung total versagt!“ Da zupfte mich eine jüngere Frau am Ärmel und sagte, schwer erziehbare Kinder gäbe es nicht mehr – nur noch verhaltensoriginelle. Und das müsse man auf jeden Fall begrüßen. Und überhaupt – solange nichts Schlimmes passiert ist, müsse ich mich auch nicht so echauffieren. Als ich kürzlich einen neuen Ausweis beantragte, musste ich natürlich auch meinen Personenstand angeben. Wahrheitsgemäß schrieb ich alleinstehend ins Formular – da kam auch schon der Hinweis, das stimme so nicht. Verdattert sah ich auf, da erklärte mir die Beamtin, neuerdings hieße das allein stehend. Ich bin nicht erst seit neuerdings unverheiratet, sondern schon immer, sagte ich. Und allein stehend bin ich sogar noch nach dem achten Bier. Damit hatte ich mich durchgesetzt. Kürzlich erwischte ich Bodo, einen der frechsten Knaben aus dem Haus, wie er einen Spruch an die Kellertür sprühte „Ale hir sind dof“. Ich wollte ihm erklären, dass seine Eltern für den Schaden aufkommen müssten und er bezüglich Rechtschreibung ganz schön blöd sei. In diesem Moment kam die alte Krawuttke aus dem zweiten Stock vorbei – aber statt mich zu unterstützen, fiel sie mir in den Rücken. Immerhin hätte Bodo nichts kaputtgemacht und überhaupt sage man nicht mehr blöd, sondern praktisch begabt. Das hätte sie von ihrer Tochter, und die sei immerhin Lehrerin und wüsste demzufolge alles ganz genau. Soso, dachte ich bei mir, wenn das so ist, kommt ja demnächst eine gewaltige Handwerkerschwemme auf uns zu. Vorige Woche versprach ich der netten jungen Frau Belza von gegenüber, abends auf ihre fünfjährige Tochter aufzupassen. Ausgestattet mit einem Märchenbuch der Brüder Grimm machte ich mich auf den Weg. Ein gutes Märchen braucht immer einen Bösen, sonst lernen die Kinder ja nicht, im Alltag später zu differenzieren, sagte ich mir und las der Kleinen zum Einschlafen Der Wolf und die sieben Geißlein vor. Das Kind schlummerte selig ein. Als ich das der Mutter nach ihrer Rückkehr stolz erzählte, schrie sie mich an, ob ich nicht wüsste, dass derart brutale Märchen die Psyche junger Menschen schädigen würden. Dabei gäbe es auch hier viel Zeitgemäßes. Eine Berlinerin hätte Grimms Märchen neu erzählt – ohne diesen ganzen Grusel. Aus dem bösen Wolf bei den Geißlein ist ein vegetarischer Wolfsjunge auf der Suche nach Freunden geworden, die böse Hexe aus Hänsel und Gretel ist eine einsame alte Frau, die durch den Kontakt zu Kindern wieder zu den Menschen findet. Der böse Wolf aus Rotkäppchen ist ein zahmer Wolf, der seine Taten bereut und der Großmutter im Haushalt hilft. Das hatte ich nun von meiner Gutmütigkeit! In der Schwimmhalle rief ich einer Bekannten zu, ich würde jetzt den Toten Mann machen. Der Bademeister winkte mich an den Rand und ermahnte mich, bei den vielen sensiblen Kindern im Bad solle ich doch besser Seestern oder Seerose sagen. Das i-Tüpfelchen lieferte aber meine Freundin Paula. Als ich ihr erzählte, ich würde mich jetzt doch einmal nach einer Putzhilfe umsehen, klärte sie mich auf, das wäre diskriminierend und ich solle korrekterweise Reinigungskraft oder Raumpflegerin sagen. Nun habe ich ganz spontan beschlossen, für ein halbes Jahr ins Kloster zu gehen – falls man das noch so sagt. Dort werde ich ein Wörterbuch, das sicher einmal ein Bestseller wird, schreiben: „Deutsch – Besserdeutsch“.