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© Peter Herlitze

Die sieben Todsünden

August 2019

Letztens habe ich mal wieder den alten Schlager „Wir sind doch alle kleine Sünderlein“ gehört und mich gefragt, ob Sünde heute überhaupt noch eine Rolle spielt – und wie sündenfest ich eigentlich bin, natürlich gemessen an den sieben Todsünden Hochmut, Habgier, Wolllust, Zorn, Völlerei, Neid und Trägheit. Hochmütige sollen ein extremes Bedürfnis nach Bewunderung und Anerkennung haben. Aber da ich mich noch nie bei einer Castingshow angemeldet habe, trifft mich das nicht und ich muss zur Strafe nicht aufs Rad geflochten werden. Und das bisschen Narzissmus, das ich ab und an bei mir verspüre, gehört heute ja einfach zum guten Ton und nennt sich individuell sein. Mit Habgier habe ich überhaupt nichts am Hut – ich habe schon immer gerne abgegeben und geteilt. Die Höllenstrafe, in heißem Öl gekocht zu werden, entfällt also für mich. Auch in Fragen Wolllust bin ich wohl kein Spitzenkandidat. Als neugierige Nachbarin bereitet es mir höchstes Glück, mich nicht in erster Linie um mich selbst zu kümmern, sondern lieber einmal beim Nachbarn vorbeizuschauen. Statt in der Hölle gegrillt zu werden, darf ich vielleicht persönlich am Grill stehen und den Spieß drehen. Zorn ist bei mir auch Fehlanzeige, ich halte mich, ganz gegenteilig, eher für sehr sanftmütig und versöhnend. Manchmal kann ich zwar andere leicht erzürnen und zur Weißglut treiben – aber mein Problem ist dann die höllische Strafe, Körperglieder bei lebendigem Leibe abgehackt zu bekommen, nicht mehr. Beim Thema Völlerei sieht das alles schon ganz anders aus. Denn bei einem guten Essen oder Wein kann ich schon mal schwach werden, mich der Schlemmerei völlig ergeben, bis nichts mehr geht. Vor der Höllenstrafe, Schlangen und Ratten fressen zu müssen, fürchte ich mich jedoch nicht, finden sich solche Angebote heutzutage doch auf der Karte von so manchem Sternekoch. Den Neid, die sechste Todsünde, sehe ich schon eher zwiespältig. Hin und wieder bin natürlich selbst ich neidisch, zum Beispiel, wenn die alte Mocken aus dem Haus mal wieder mehr über die Nachbarn weiß als ich. Gleichzeitig ist mir das aber auch Ansporn, meinen Wissensvorsprung wieder herzustellen. Wenn gute Freunde und Bekannte einen Luxusurlaub machen, einen Backstageplatz beim Stones-Konzert gewonnen haben oder einen Platz am Kapitänstisch ergattern konnten – wer kann da schon völlig neidfrei bleiben? Gegen die drohende Höllenstrafe, in eisigem Wasser stehen zu müssen, könnte ich vorbeugend ja schon etwas tun und mich für das nächste winterliche Eisbaden anmelden. Trägheit – die letzte der sieben Todsünden – ist für mich ein Fremdwort. Meine Umtriebigkeit und meine gesunde Neugier sorgen dafür, dass ich sowohl körperlich als auch geistig immer auf Trab bin. Die Schlangengrube, in die die Trägen geworfen werden, muss also ohne mich auskommen. Insgesamt kann ich mit meinem Sündenregister wohl doch zufrieden sein. Zumal wir in einer Welt leben, in der Sünde zur Normalität geworden ist. Regeln und Normen gelten für viele nicht mehr, so gut wie jede Freiheit wird ausgekostet. Falls ich wider Erwarten doch in der Hölle landen sollte, setze ich darauf, dass dort inzwischen auch alles modern ist – von der Amazonbestellung bis zum WLAN-Empfang. Und die interessantesten Menschen dürften sich sowieso in Gesellschaft des Fürsten der Finsternis tummeln.