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© Peter Herlitze

Der Dialektiker im Haus

August 2020

Schon seit meiner Kindheit habe ich ein Faible für Dialekte. Vielleicht deshalb, weil mein Vater zu allen Mahlzeiten seinen Spaß daran hatte, meine Schwester und mich raten zu lassen, was er gerade gesagt hatte und in welchem Dialekt. Zum Abschluss sagte er dann oft zu mir „Wenn du dien Teller leer ittst, dann gifft dat morgen goodes wedder“. Wie die meisten dachte ich, das heißt, morgen gibt es dann wieder gutes Wetter. Falsch übersetzt, denn auf Hochdeutsch heißt dies: „… dann gibt es morgen wieder etwas Gutes.“ Vielleicht entsteht aus den verschiedenen Mundarten so manches Missverständnis und Kopfschütteln, dachte ich mir und beschloss spontan, einen Dialekt-Kurs für meine Nachbarn anzubieten. Die Nachfrage nach meinem Kurs „Hermine und die Dialektiker“ war groß. Aber schon beim ersten Versuch mit dem leichteren Hamburgischen scheiterte die Gruppe total. Keiner kam annähernd auf die Idee, dass „Klei mi an de feut, Dööskoop!“ so viel wie „Du kannst mich mal“ heißt. Dann versuch es mal mit was Schwererem, dachte ich mir – Schwäbisch versteht bestimmt keiner hier. So war es auch. Aus „Dei Maunzala is in dem Babberdeggel“ machten sie „Der Monteur ist eine Plaudertasche“ statt „Deine Katze ist im Karton“ und die beste Übersetzung von „Kannsch un hasch Luschd oder bisch in Haschd?“ war „In der Kanzlei arbeiten nur Luschen“. Was war daran nur so schwer? Egal, was man sagt – es sind doch immer nur 26 Buchstaben im Spiel. Das brachte mich auf eine Idee: In der Mittagspause lud ich die ganze Truppe auf eine Buchstabensuppe ein. Hoffte, dass sie so ein Bauchgefühl für Sprache entwickeln und leichter Zugang zu den verschiedenen Mundarten finden. Aber auch bei meinen bayerischen Lockerungsübungen mit Sätzen wie „Griass oich, oide Zipfelklatscha!“ oder „Wennsd ned glei dei Goschn hoitst, schmia I dir oane!“ – keine Reaktion. Beim Thüringischen hatte die Truppe wenigstens ihren Spaß, weil ich die Übersetzung gleich mitlieferte: Annergeschwisderkenner – Cousin oder Cousine. Dätscher – Kartoffelpuffer. Hammele – Tannenzapfen. Hieunhörtröhbrat – Tablett. Hullerschisser – Boulette. Und natürlich Hütes – Klöße. Bei Broätwüärscht setzte der Pawlowsche Reflex ein und alle redeten durcheinander, wie man die tollste Bratwurst brät. Selbst die eingefleischtesten Thüringer hätten da noch viel lernen können. So ein Engagement hätte ich mir für meinen Kurs gewünscht. Aber keine Chance bei diesen sprachlichen Omegas, dachte ich und wollte die Lektion mit sächsischen Beschimpfungen Auge um Auge abschließen. „Och nä schone widder! Doohmas, Du bisd so ä Grindnischl!” und „Dschagglien, du bischd änne viehischst zicksche Grigge!”. Bei Nicole ging es mit meiner direkten Beschimpfung allerdings schief: „Nigoll du bischd ä risches Ehgl gewordn, hör ma of mid rumdiggschn!” Mit ihrem ordinären Berlinerisch hätte ich Nicole niemals für eine Sächsin gehalten, die – in diesem Falle leider – jedes Wort verstand. Nun schrie sie mich aber auch gleich an: „Dir hamse wohl mitn Klammerbeutel jepudert! Ick gloob, mein Schwein pfeift – Olle, ick schieb dir geich eene. Hast wo‘n Ding an de Jondel! …“ In reinem Sächsisch beendete ich darauf die erste Lektion mit „Da machd doch eiorn Dregg alleene!“ Ob es eine zweite Lektion gibt, kann ich aus heutiger Sicht noch nicht sagen.