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WGLi-Umschau | 1-2018 19
„Nu, pogodi!“
Das Computerspielemuseum blickt auf ein
besonders spannendes Kapitel der Kulturgeschichte
Computerspiele sind weit mehr als bloß digitales Spielzeug: In ihrer Entwicklung spiegeln
sich spannende Aspekte unserer Zeitgeschichte wider. Warum die russische Zeichentrick-
serie „Hase und Wolf“ auch als Computerspiel in der DDR zum Kult wurde, das erfahren
Neugierige im deutschlandweit einzigartigen Computerspielemuseum.
Fotos©Jörg Metzner
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1 Das Museum zeigt Meilensteine der Spielegeschichte.
2 - 3 Spieleklassiker wie Atari Pong und Pac Man bis hin zum Poly-Play aus der DDR kann man ausprobieren.
„Spielen gehört zum Wesen des Menschen“, sagt Museumssammlung gehören vor allem die histo-
der Soziologe Dr. Klaus-Peter Gerstenberger. Des- rischen Raritäten. Zu einer solchen Rarität gehört
halb ist es nicht verwunderlich, dass mit der Erfin- die Spiele-Elektronik aus der DDR. Denn auch öst-
dung des Computers ganz neue Formen des Spiels lich der deutsch-deutschen Grenze gab es eine
entstanden: Die technischen Grundlagen für das rege Computerspiele-Szene. In vielen Schulen
Computerspiel wurden vor rund 60 Jahren gelegt. nutzten Jugendliche den in der DDR produzierten
Im Computerspielemuseum in der Karl-Marx-Allee Kleincomputer KC. 1977 wird schließlich auch in
93a lässt sich die Geschichte der digitalen Spiele der DDR eine Spielekonsole, das „BSS 01“ (BSS
nachvollziehen. steht für Bildschirmspiel) frei verkauft. Allerdings
konnten sich die Wenigsten die Konsole leisten.
Dabei irrt, wer das Spielen am Computer biswei- Zu einem Erfolg wird dagegen der Spieleautomat
len als inhaltsleeres Freizeitvergnügen für „Poly-Play“, der im VEB Polytechnik in Karl-
Kinder abtut. „Computerspiele galten Marx-Stadt noch bis 1989 produziert
in der 1970er Jahren zunächst als eMdiGneeeenMhuwnrnSuiBeddsnieeant1suze7euunm.nca1h.Su6iiefm wurde. Er kostete zwar so viel wie
gepflegte Abendunterhaltung für drei Trabanten des Typs 601, doch
Erwachsene“, weiß Dr. Klaus- war dieser Automat öffentlich zu-
Peter Gerstenberger. Und es war gänglich und für wenige Pfennige
tatsächlich ein deutscher Erfinder, bespielbar: Allein 40 dieser Auto-
der die für den Heimbedarf ge- maten standen im Palast der Repu-
dachte „Spielkonsole“ schuf: Der blik. Noch heute ist das Spiel „Hase
aus der Südwestpfalz stammende und Wolf“ Kult. Es handelt sich dabei
Ralph Henry Baer (1922 - 2014) entwi- um eine Kopie des westlichen „Pacman“-
ckelte 1969 die „Brown Box“ als Prototypen Spiels auf der Grundlage der in der DDR beliebten
einer Spielkonsole in Eigenregie. russischen Zeichentrickserie „Nu, pogodi!“.
Diese erste Spielekonsole der Welt ist nur eines Wer „Hase und Wolf“ heute noch einmal nach- Computerspielemuseum
von über 300 Exponaten, die im Computerspiele- spielen möchte, dem bietet das Computerspiele-
museum zu sehen sind – viele davon sind spielbar. museum an einem originalen „Poly-Play“ die Karl-Marx-Allee 93a
„Die meisten unserer Besucher sind überrascht, Gelegenheit, Erinnerungen wach zu rufen. Doch 10243 Berlin
wie generationenübergreifend das Thema „Com- Obacht: Jüngere könnten dabei erleben, wie ihre
puterspiel“ ist“, erklärt Dr. Klaus-Peter Gersten- Eltern einst im Wettstreit um den besten Listen- Täglich geöffnet
berger, der das Konzept für die Dauerausstellung platz genauso konzentriert am Computerbild- von 10.00 bis 20.00 Uhr
mit entworfen hat. Zu den größten Schätzen der schirm hingen, wie sie heute.
Tel.: (030) 60 98 85 77
Sie möchten mehr über DDR-Spiele erfahren? Die bekanntesten Spiele können ganz bequem im Browser unter www.computerspielemuseum.de
Windows, Mac, Linux, iOS und Android gespielt werden unter Lanale.de/kc85_emu. Die Spiele wurden von Alexander Lang
mit Hilfe von Emulatoren für den heimischen PC spielbar gemacht.