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8 WGLi-Umschau | 4-2021
Wer zusammen isst,
kommt sich näher
EIN NACHBARSCHAFTSPROJEKT BELEBT DIE
TISCHKULTUR IN GUTER GESELLSCHAFT
Sich gemeinsam mit der Familie an eine gedeckte Tafel setzen – einst war das selbst-
verständlich. Und heute? Auch Alleinstehende oder Menschen, deren Familienmitglieder
weit weg wohnen, müssen nicht auf gemeinsame Momente der Tischkultur verzichten.
Das Projekt „Essen in Gemeinschaft“ von WGLi-Nachbarn in Friedrichsfelde zeigt, wie eine
familiäre Tischkultur zwischen Nachbarn gelingen kann.
Die grau melierten Herren haben hinter der Säule Platz Nachbarn aus der Umgebung zu ersten Testessen ein.
genommen. Es ist ihr angestammter Platz. Kaum, dass Mit Erfolg: Rund 15 Nachbarn kommen nun jeden Frei-
sie die Jacken über die Rückenlehne gehängt haben, tag regelmäßig zum Essen. Mittlerweile ist man einan-
stecken sie ihre Köpfe zusammen. Eine Woche ist der schon vertrauter, auch, weil die Bekanntschaften
es her, da saßen sie hier zuletzt beieinander. Es gibt ganz zwanglos geschlossen werden. Die Besucher ver-
viel zu bereden. Ihre Tischnachbarin indes trifft einen pflichten sich zu nichts, sie müssen nicht jedes Mal wie-
der beiden Herren öfters unter der Woche, deshalb derkommen. Man kann eine warme Mahlzeit einneh-
liegt ihr weniger daran, sich gleich auszutauschen. men und wieder gehen. Oder noch zum Kaffee bleiben.
„Banktreffen“, nennen die beiden scherzhaft diese Und am Montag wiederkommen, wenn sich Teilneh-
Begegnungen, die nicht etwa ein Aufeinandertreffen mer aus der Runde noch zum gemeinsamen Spiele-
bei einem Geldinstitut meinen. Es ist ein Bänkchen im nachmittag treffen. Die Idee, sich mit Brett- und Kar-
Park, das beide als willkommene Sitzmöglichkeit auf tenspielen die Zeit zu vertreiben, kam den Besuchern
ihren unterschiedlichen Wegen zu den alltäglichen ganz beiläufig beim
Besorgungen nutzen. Hier kamen die beiden Frem- Essen. Mitunter, so
den irgendwann ins Gespräch. Hier beschlossen sie, erzählen es Sieglinde
gemeinsam essen zu gehen. Porath und Heide-
marie Nicksch, sei die
Erste Testessen waren ein Erfolg
Ihr Ziel war kein Restaurant, sondern der
WGLi-Treff in der Dolgenseestraße 3. Hier
haben sich Nachbarn in Eigeninitiative zu-
sammengetan, um gemeinsam bei einem
fahrenden Mittagstisch Menüs für kleines
Geld zu bestellen und in Gesellschaft zu
verspeisen. Angeregt dazu hatte Bernhard
Polifke vom Team Soziales der WGLi. Bei
einem Treffen der Neumitglieder waren
Sieglinde Porath und Heidemarie Nicksch
von dieser Idee sofort überzeugt und luden
Fotos: WGLi / Karolina Wrobel