Page 5 - Umschau_2019_1_web
P. 5
WGLi-Umschau | 1-2019 5
das per Hand zu erledigen“, sagt Fred Boger. Weil das Schon 1968 waren es 754. Bis 1990 erreichte der
aber zu lange dauerte, organisierte die AWG schweres Bestand die Höchstzahl von 10.489. Damit war die
Gerät. Und so bestanden die Aufbaustunden meist da- AWG Elektrokohle die größte Wohnungsbaugenos-
rin, Dachziegel und Steine zu schleppen, den grünen senschaft in Ostberlin – und maßgeblich an den Woh-
Innenhof herzurichten oder bei Stemmarbeiten zu hel- nungsbauprogrammen der DDR-Regierung beteiligt.
fen. 200 Arbeitsstunden waren Pflicht – mit Aussicht Nach den Aufbaujahren folgten Investitionen in die
auf einen geringeren Mietzins. Heute nennt man diese Außenanlagen, notwendige Reparatur- und Instand-
Form der Eigenbeteiligung gerne „Muskelhypothek“. setzungsarbeiten. Bis zum Ende der DDR waren Auf-
Die Einsätze schweißten auch die neuen Nachbarn zu- bau und Organisation der Genossenschaft stark staat-
sammen. Kinder freundeten sich an, spielten hinten auf lich geprägt.
dem Hof zwischen kleinen Bäumen und Wäscheleinen, Bevor allerdings mit dem Hans-Loch-Viertel in Friedrichs-
während die Erwachsenen so manches Mieterfest or- felde oder im Fennpfuhl große Gebiete für den indus-
ganisierten. triellen Wohnungsbau erschlossen wurden, konzent- 2019
Das erste noch Stein auf Stein gebaute Wohnhaus der rierte sich die AWG in ihren Anfangsjahren zunächst auf
Genossenschaft wurde 1955 nach nur einem Jahr Bau- Grundstücke in Alt-Lichtenberg. Das erste Wohnhaus Fertigstellung des
zeit an die Bewohner übergeben: drei Aufgänge mit je der Genossenschaft entstand auf dem Gelände des Neubaus „Wohnen
neun Wohnungen, Gesamtkosten 761.000 Mark. Allein einstigen Rittergutes Lichtenberg, auf dem sich nicht
die von den Genossenschaftsmitgliedern erbrachten nur ein Gutshaus, sondern viele Nebengebäude und am LichtGarten” mit
Arbeitsleistungen entsprachen einem Wert von umge- 107 Wohnungen
rechnet 40.000 Mark, hinzu kamen ein Kredit vom 2000 ©lovebeer / stock.adobe.com
Staat in Höhe von 658.000 Mark sowie 63.000
Mark aus den Einlagen der Genossenschafts-
mitglieder. „Um uns herum befanden sich 50 Wohnungen
Kleingärten, auf der Kopfsteinpflaster-
sind neu gebaut
straße klapperten frühmorgens die 1990
Wagen mit den Milchkannen“, be- 2018
richtet Fred Boger. Das neue Wohn-
haus lag damals j.w.d. – janz weit aus AWG wird WGLi, Beginn des Neubaus
draußen. Sanierung und Modernisierung „Wohnen am
In den darauffolgenden Jahren stehen im Vordergrund, LichtGarten”
wuchs die Zahl der Genossen-
schaftswohnungen. 10.489 Wohnungen
©David Mathieu / stock.adobe.com eine Mühle befanden. Bis heute
erinnert ein außergewöhnliches
Relikt an die Gründerjahre: Der alte
bis 1977 Mühlstein schmückt inzwischen einen
75 neue Wohnobjekte, der Zugänge zur Geschäftsstelle der WGLi
7.723 Wohnungen,
Wohnungsgenossenschaft Lichtenberg eG.
ca. 30.000 Menschen
wohnen hier Fred Boger ist dem ersten Haus der WGLi eng
verbunden, als Mieter und Genossenschaftsmit-
glied, auch 65 Jahre nach der AWG-Gründung.
©Jochen Seifert Weil die Familie weiter wuchs, zog sie 1965 in
eine größere 4-Zimmer-Wohnung um. Wohn-
zimmer, Schlafzimmer, Küche, Bad und
zwei Zimmer für die insgesamt sieben Kin-
der. Nicht nur in der Hausgemeinschaft,
bis 1971 sondern auch im Kiez kannte man die
insgesamt 3.731 große Familie. Alle packten beispiels-
Wohneinheiten
weise bei der Treppenhausreinigung
oder der Schneebeseitigung mit an. Das
war damals so üblich. Natürlich habe er
©Peter Hengelhaup nach dem Auszug der Kinder und dem Tod
seiner Frau immer wieder darüber nachge-
t dacht, sich räumlich zu verkleinern und umzu-
ziehen. Doch solange es seine Gesundheit zulässt,
möchte er in seinem lieb gewonnenen Zuhause bleiben
und von dort noch lange auf jene Bäume schauen, die Fortsetzung >>>
seine Nachbarn und er einst noch selbst pflanzten.