Veralteter Browser festgestellt

Sie verwenden einen alten Internet Explorer. Bitte aktualisieren Sie auf einen neueren Browser Ihrer Wahl, bspw. Microsoft Edge, Chrome, Firefox, Safari oder einen Anderen. Mit einem alten Browser haben Sie nicht das beste Surferlebnis und wir können nicht sicherstellen, dass alle Seiteninhalte korrekt geladen und transportiert werden.

© Peter Herlitze

Urlaub auf Balkonien

Mai 2020

Nachdem sich ein Urlaub in der Ferne unter Palmen für dieses Jahr erledigt hatte, prüfte ich meine verbliebenen Möglichkeiten. Aber Geld ausgeben, um dann alleine am Gaststättentisch in einer um die Ecke verbliebenen Enklave zu sitzen, mit niemandem reden zu können? Im Abstand von fünf Metern zum nächsten Urlauber auf irgendeiner Promenade spazieren gehen? Das alles kam für mich nicht in Frage. Also beschloss ich, dieses Jahr Urlaub auf Balkonien zu machen. Tun und lassen, was ich will. Den ganzen Tag fernsehen, meinen eigenen Kanal natürlich – Nachbarschafts-TV. Die Ausrüstung dafür hatte ich mir schon vor einer ganzen Weile zugelegt: Fernglas, Fotoapparat und ein Notizbuch. So konnte ich auch auf ein Schwätzchen im Treppenhaus verzichten, zumal meine Nachbarn die letzten Wochen sowieso flink wie Lucky Lukes Schatten waren und noch ehe man sie überhaupt sah, schon in ihrer Wohnung verschwunden waren. Ich ging also alles ganz langsam und entspannt an, ließ mir bei meinen Beobachtungen Zeit und wollte endlich einmal eine auf Beobachtung beruhende Tiefenanalyse meiner unmittelbaren Nachbarschaft anfertigen. Das Einzige, was ich auf meinem Balkon vermisste, war der Service eines Hotels. Dass mir mal jemand einen Kaffee oder ein Schöppchen Wein während meiner Beobachtungen vorbeibringt oder etwas zum Knabbern. Vielleicht sollte ich Hilde einladen, gemeinsam mit mir den Urlaub auf meinem Balkon zu verbringen. Hilde war sehr schweigsam, konnte aber umso besser zuhören. Und sie war total verschwiegen. Außerdem hatte sie ein Helfersyndrom, wollte anderen immer etwas Gutes tun – sie konnte mir also den gewohnten Urlaubsservice komplett ersetzen. Gesagt, getan – Hilde freute sich über meinen Vorschlag und die erste Woche unserer gemeinsamen Balkonzeit verlief prima – also ganz nach meinen Vorstellungen. Ich saß fest an meinem Beobachtungsstand und Hilde kochte jeden Tag etwas Kulinarisches nach Rezepten aus der ganzen Welt. So erlebten wir auf dem Balkon wenigstens ein bisschen fernes Urlaubsflair. Hätten wir den Urlaub jetzt für beendet erklärt, wäre er als schönes Erlebnis in Erinnerung geblieben. Aber so fiel mir bei einer Beobachtung des Nachbarbalkons mein Notizbuch über die Brüstung – genau vor die Füße der geschwätzigen und intriganten Fitzthume. Sie schlug es auf und erkannte sofort seinen Wert, denn sie lächelte wie Gollum im Herrn der Ringe, wenn er „Mein Schatz“ sagte. Leider erreichte ich sie an diesem Tag nicht mehr – sie aber wohl alle anderen Hausbewohner. Und die schlugen mit geballter Kraft zurück – nur aus nachbarschaftlich-erzieherischem Aspekt, wie sie mir hinterher mitteilten. Jedenfalls versammelten sich schon am gleichen Abend alle Raucher unseres Hauses auf dem Balkon unter mir und gaben bei lauter Musik ihr Bestes. Nachts um drei gab ich auf und begab mich nach Canossa – sprich eine Etage tiefer. Ich entschuldigte mich und versprach, am Wochenende ein Grillfest für die gesamte Nachbarschaft zu veranstalten. Ich hatte Glück, dass sich ein gemütliches Beisammensein mit Bratwurst und Steak mal wieder als nachbarschaftlicher Kitt erwies. Also beschloss ich, mich zu bessern. Wenigstens ein bisschen. Denn eines hatte ich schon erkannt: Ein Urlaub auf Balkonien kann so schön sein – wenn man seine Nachbarn in Ruhe lässt.